Gestern. Heute. Morgen.

Mein Blog

„Gestern, heute, morgen.
Bis hierhin – und ab jetzt anders.
Ich bin nicht stehen geblieben.“

Diese Worte sind der Kern meiner Reise.
Sie sind nicht nur die Grundlage dieses Blogs,
sondern auch die Bestätigung,
dass es nie zu spät ist, sich zu verändern...

Manchmal ist der Weg, den man geht, nicht der,
den man ursprünglich geplant hat.
Aber genau das macht ihn so wertvoll...

1. Einleitung

Es gibt keinen perfekten Moment,
um einen Text wie diesen zu schreiben.
Aber es gibt ehrliche.
Und dieser hier ist einer davon.

Ich schreibe, weil etwas in mir sich bewegt hat.
Etwas, das lange still war –
unter der Oberfläche, unter den Erwartungen,
unter den täglichen Wiederholungen,
mit denen ich mir eingeredet habe,
dass das Leben schon irgendwie weitergeht.

Aber es ging nicht weiter.
Nicht wirklich.
Ich habe funktioniert, ja.
Ich habe Gespräche geführt, Entscheidungen getroffen, Dinge erledigt.
Aber innerlich war ich erschöpft, wund, leer.

Und was ich lange nicht verstanden habe:
Es ist nicht Schwäche, das zuzugeben.
Es ist der Anfang von Klarheit.

Dieser Text ist mein Versuch, die Schritte sichtbar zu machen,
die ich innerlich gegangen bin.
Vom Zusammenbruch zum ersten „Nein“.
Vom Festhalten zum Loslassen.
Vom stummen Erdulden zur formulierten Grenze.

Ich schreibe für mich.
Weil ich mich erinnern will.
An das, was ich getragen habe.
An das, was ich erkannt habe.
An das, was ich losgelassen habe.
Und vielleicht auch an das, was ich neu festhalten durfte –
aber diesmal mit Bewusstsein.

Vielleicht liest das hier irgendwann jemand.
Vielleicht erkennt sich jemand darin wieder.
Vielleicht wird dieser Text dann nicht nur mein Zeugnis,
sondern ein Anstoß für andere, die sich selbst gerade noch nicht hören können.

Aber vor allem ist das hier mein eigenes, inneres Dokument.
Nicht laut.
Nicht glänzend.
Aber aufrichtig.
Ehrlich.
Und endlich – meins.

2. Der Ursprung meines inneren Umbruchs

Manchmal beginnt Veränderung nicht mit einer Entscheidung,
sondern mit dem Erkennen, dass man keine mehr treffen kann.

Dass man an einem Punkt angekommen ist,
an dem das eigene Leben wie ein leerer Raum klingt.
So war es bei mir.

Es gab keinen lauten Moment, keine große Krise, die plötzlich alles veränderte.
Es war eher ein leises, stetiges Versinken –
ein tägliches Spüren, dass etwas Grundlegendes nicht mehr stimmt.

Dass ich mich erschöpfter fühlte, obwohl ich doch eigentlich „nichts gemacht hatte“.
Dass ich zwar aufstand, arbeitete, aß, redete –
aber nichts davon mehr wirklich von mir ausging.

Der Wendepunkt kam, als selbst die einfachsten Dinge zu viel wurden.
Kochen, waschen, aufräumen – nicht, weil ich nicht wollte,
sondern weil ich nicht mehr konnte.

Der Körper ging noch,
aber der innere Antrieb war verschwunden.

Ich war in einer Klinik.
Nicht, weil ich gestürzt bin.
Sondern weil ich endlich aufgehört hatte, so zu tun, als würde ich noch stehen.

Und dort, inmitten von Gesprächen, Routinen, Müdigkeit und vagen Hoffnungen,
habe ich mir selbst einen Satz geschrieben.
Kein Ziel. Kein Vorsatz. Keine Magieformel.
Nur ein Datum – und ein Versprechen:

„In drei Monaten, am 26. April 2025, wirst du mental, spirituell und finanziell auf einem völlig neuen Level sein.“

Ich hatte keine Ahnung, wie das gehen soll.
Ich hatte keine Energie, keine Strategie, keine Kraft.
Ich schrieb diesen Satz nicht, weil ich daran glaubte.
Ich schrieb ihn, weil ich nichts anderes mehr hatte, an das ich mich halten konnte.

Und gerade deshalb war er so wichtig.
Weil er aus der dunkelsten Stelle in mir kam –
und trotzdem in die Zukunft zeigte.

Er war mein innerer Beweis:
Ich bin noch da.
Und irgendetwas in mir glaubt immer noch an mich.

3. Das Kraftbuch – ein leiser Neuanfang

Ich weiß nicht mehr genau, wann ich damit angefangen habe.
Es gab keinen Plan, keine große Idee.
Es war einfach nur ein Impuls:
Schreib auf, was sich trägt.

In einer Welt, in der so vieles laut war –
Diagnosen, Erwartungen, Stimmen, Strukturen –
brauchte ich etwas, das nur mir gehörte.
Etwas, das nicht kommentiert oder analysiert wurde.
Etwas, das keine Rückmeldung erwartete.

So entstand mein Kraftbuch.
Ein einfacher Ort, an dem ich Worte sammelte,
die mir etwas gaben,
wenn alles andere mich nur noch nahm.

Zitate, Gedanken, Sprüche –
viele davon aus den Tiefen des Internets,
aus Gesprächen, aus Liedtexten, aus Facebook-Posts.
Manche hätte ich früher vielleicht belächelt.
Aber in dieser Zeit wurden sie zu etwas anderem:
einer Sprache, die mit mir sprach, wenn ich selbst still war.

„Zeit braucht Zeit.“

Ein Satz, den ich hunderte Male gelesen habe.
Aber nie so gespürt wie in dieser Phase.
Denn ich merkte:
Ich kann mich nicht zwingen, schneller zu heilen.
Ich kann nichts abkürzen.
Ich muss durch alles hindurch.

„Die schlechtesten Entscheidungen triffst du,
wenn du auf deinen Verstand hörst,
obwohl dein Bauch längst Nein gesagt hat.“

Ein Satz, der mir schmerzlich bekannt vorkam.
Denn genau das hatte ich getan –
in Beziehungen, im Beruf, im Umgang mit mir selbst.

Diese Worte waren kein Ersatz für Gespräche.
Aber sie waren Anker in Momenten,
in denen ich das Gefühl hatte, sonst nirgends mehr Halt zu finden.

Sie gaben mir einen inneren Raum zurück,
den ich lange verlassen hatte.

Und irgendwann merkte ich:
Dieses Buch war mehr als eine Sammlung.

Es war eine Landkarte.
Nicht nach außen –
sondern zurück zu mir.

4. Meine ersten Sätze – zwischen Verzweiflung und Entschlossenheit

Es gibt einen Eintrag, den ich nie vergessen werde.
Ein Zitat, das mich nicht einfach nur berührte –
sondern still in mir saß,
wie eine alte Wahrheit, die ich selbst verdrängt hatte.

Es stammt aus dem Tagebuch von J.R.R. Tolkien.
Neujahr 1910.
Er schrieb:

„Ich bin deprimiert und fühle mich
so dunkel wie eh und je.
Gott hilf mir.
Ich bin schwach und erschöpft.“

Als ich diese Worte las, stockte mir der Atem.
Nicht, weil sie dramatisch waren.
Sondern weil sie so vertraut klangen.
So roh.
So nah.
So… echt.

Ich dachte an all die Bücher,
die Tolkien später schreiben würde.
An die Welten, die er erschuf.
An den Mut seiner Figuren,
an die Hoffnung, die durch seine Geschichten floss.
Und dann sah ich diesen Satz:
„Ich bin schwach und erschöpft.“

Und ich wusste:
Wenn er das sagen durfte, dann darf ich das auch.

Ich schrieb darunter – fast wie eine Antwort an ihn,
aber eigentlich an mich selbst:

„Denk daran, was er später wurde.
Du bist stärker, als du denkst.
Und ich sende dir Liebe und Kraft
für alles, was vor dir liegt.
Glaube an dich selbst und gehe
jeden Schritt mit Zuversicht.
Du hast die Fähigkeit, alles zu erreichen,
was du dir vornimmst.“

Das war kein Motivationsspruch.
Es war ein Brief.
Ein Brief an einen Teil in mir,
der fast verschwunden war.

Der Satz, den ich mir zu Beginn gesetzt hatte –
„In drei Monaten wirst du auf einem neuen Level sein“
wirkte in diesem Moment nicht mehr
wie eine absurde Behauptung.
Sondern wie ein Samen, der leise aufging.

Ich war noch nicht stark.
Ich war noch nicht „neu“.
Aber ich hatte zum ersten Mal
wieder etwas zu sagen.
Nicht zu anderen –
sondern zu mir.

Und diese Worte,
diese ersten eigenen, echten Sätze,
wurden zu kleinen Markierungen am Rand meines Weges:

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5. Grenzen lernen – und halten

Bevor ich wusste, wie man Grenzen setzt,
habe ich sie vor allem ignoriert.
Oder übertreten.
Nicht bei anderen – sondern bei mir selbst.

Ich war jemand, der aushielt.
Der zuhörte.
Der ruhig blieb, auch wenn es innerlich längst brannte.
Und ich hatte mir eingebildet, dass das Stärke sei.

Aber irgendwann wurde mir klar:
Stille ist keine Stärke, wenn sie aus Angst vor Reibung entsteht.

Das erste Mal, dass ich meine Grenze spürte –
nicht als Idee, sondern als körperliches „Es reicht“
war ein Gespräch mit meinem Bruder.

Er und seine Freundin hatten viel gemeckert.
Laut, pausenlos, wie ein Strom aus Unzufriedenheit.
Und ich?
Ich hielt es aus.
Bis es zu viel wurde.

Aber statt zu sagen, was ich wirklich fühlte –
statt einfach zu sagen:

„Das wird mir gerade zu viel. Können wir bitte das Thema wechseln?“

sagte ich etwas anderes.
Etwas Härteres.
Etwas, das sich wie eine Verteidigung anfühlte,
aber eigentlich eine Kapitulation war.

Ich sagte sinngemäß:

„Du bist die ganze Zeit nur am Meckern – was willst du eigentlich dagegen tun?“

Und sofort wusste ich:
Das war nicht die Grenze, die ich setzen wollte.
Das war eine reaktive Explosion,
kein klarer Schutzraum.

Am nächsten Tag entschuldigte ich mich.
Nicht für meine Überforderung.
Aber dafür, dass ich mich nicht ehrlich gezeigt hatte.

Dass ich nicht den Mut hatte,
den Satz zu sagen, der wirklich von mir kam:

„Das wird mir zu viel.“

Und in diesem Moment begriff ich:
Grenzen setzen heißt nicht, laut zu werden.
Es heißt, sich nicht selbst zu verraten, um die Harmonie zu retten.

Ich hatte versagt.
Aber ich hatte auch verstanden,
was ich beim nächsten Mal anders machen wollte.

Das war kein Rückschritt.
Das war der erste, echte Lernmoment:
Ich will Grenzen setzen – bevor ich platze.

6. Die zweite Chance – und meine erste Grenze

Ein paar Wochen nach dem Gespräch mit meinem Bruder traf ich mich mit einem ehemaligen Kollegen.
Wir hatten länger keinen Kontakt gehabt,
es war so ein „Lass uns mal wieder sehen“-Treffen,
das sich leicht anfühlt,
aber in Wahrheit schon eine kleine Prüfung mitbringt.

Er fragte mich, wie es mir gehe.
Und ich antwortete ehrlich – nicht dramatisch, aber offen.

Ich erzählte von der schwierigen Dynamik zwischen mir und meiner Frau,
davon, dass sie psychisch belastet ist,
und dass ich gelernt habe, nicht mehr ihr Therapeut zu sein.

Ich sagte, dass ich Verantwortung für mich übernehmen muss.
Dass ich Grenzen ziehe, um selbst nicht unterzugehen.

Doch statt Verständnis kam Mitleid.
Für sie.
Nicht für mich.
Und die implizite Frage:

„Wie kannst du dich entziehen?“

Ich versuchte, es ihm zu erklären.
Mehrfach.
Aber es drehte sich im Kreis.
Immer wieder landeten wir beim selben Punkt:
Ich klang für ihn herzlos.
Weil ich nicht bereit war, mich zu opfern.

Und dann spürte ich es wieder.
Dieses innere Ziehen.
Dieses „Jetzt wird’s zu viel.“
Dieses Gefühl, das ich beim letzten Mal nicht in Worte fassen konnte.

Aber diesmal tat ich es.
Ich sagte:

„Das wird mir langsam zu viel. Ich möchte gerne das Thema wechseln.“

Keine Aggression.
Kein Rückzug.
Kein Urteil.
Nur ich.
Mit einem Satz, der sich leise wie eine Revolution anfühlte.

Ich war so ruhig wie noch nie –
und so entschieden wie noch nie.

Und in mir war keine Schuld.
Nur Erleichterung.
Weil ich wusste:
Das war mein Satz. Das war meine Grenze. Und sie steht.

7. Was vor dem Rückzug kam – emotionale Logik und offener Vorwurf

Nachdem ich meine Grenze gesetzt hatte –
ruhig, klar, beinahe sachlich –
hielt er nicht inne.

Er nahm den Satz nicht als das, was er war:
ein letztes, aufrichtiges Signal.
Sondern als Einladung zur Diskussion.

Und weil er keine emotionale Ebene finden konnte,
suchte er sich eine logische.

„Das ergibt doch keinen Sinn, was du sagst – es ist doch deine Wohnung. Wenn jemand gehen müsste, dann wäre ich das.“

Ich stand noch im Raum,
hörte ihm zu,
aber innerlich war ich schon weg.

Denn ich merkte:
Er versuchte, das Gespräch zu retten,
indem er meine Grenze zerdachte.

Er sah nicht, dass ich nicht debattieren wollte.
Ich hatte mich nicht zurückgezogen, weil ich beleidigt war –
sondern weil ich erschöpft war.
Emotional. Mental.
Fertig.

Und als ich ihm sagte,
dass das, was er gesagt hatte, sich für mich wie ein Vorwurf anfühlte,
schaute er mich an –
und sagte:

„Ja. Weil es einer war.“

Ohne Zucken.
Ohne Kontext.
Ohne Rückfrage.

Das war nicht Wut.
Es war… Unnachgiebigkeit.
Eine Art von Festhalten an seiner Sicht,
die mir keinen Raum mehr ließ.

Und genau da wusste ich:
Es bringt nichts, weiter zu reden.
Es bringt nichts, mich zu erklären.
Ich war längst an meiner Grenze –
und nun wurde sie nicht nur ignoriert,
sie wurde bewertet.

Also sagte ich den Satz,
der nicht mehr zur Diskussion stand –
sondern zur Handlung führte:

„Ich muss jetzt nach dem Essen schauen.“

Und ich ging.
Nicht trotzig.
Nicht beleidigt.
Einfach klar.

Und alles, was danach passierte –
war Stille.

8. Der Rückzug in die Küche – und die stille Erleichterung

Er akzeptierte meine Grenze nicht.
Er hörte meine Worte,
aber nicht ihre Bedeutung.

Er fing an, über Logik zu reden,
über Raumverhältnisse und wer eigentlich „gehen müsste“,
weil es ja meine Wohnung sei –
und ich schließlich der Gastgeber.

Es war absurd.
Er diskutierte nicht mehr über das Thema,
sondern über mein Recht, es beenden zu wollen.
Er versuchte, meine Entscheidung zu entkräften,
indem er sie in ein Gedankenspiel verwandelte.

Aber ich ließ mich nicht mehr einfangen.
Ich sagte nichts weiter.
Ich sah ihn an.
Und dann sagte ich:

„Ich muss jetzt nach dem Essen schauen.“

Ein Satz, der nach Alltag klingt.
Nach einem höflichen Ausweichen.
Aber in Wahrheit war es mein Aufbruch in die Eigenverantwortung.

Ich ging in die Küche.
Und dort – zwischen Töpfen, Besteck und Stille –
spürte ich zum ersten Mal reine, ungefilterte Erleichterung.

Nicht, weil alles gelöst war.
Nicht, weil ich gesiegt hatte.
Sondern weil ich mich nicht verloren hatte.

Ich musste mich nicht verteidigen.
Ich musste niemanden überzeugen.
Ich musste nur gehen – ohne innerlich zu fliehen.

Das war neu.
Früher hätte ich es ausgehalten.
Oder ich wäre explodiert.
Oder ich hätte mich im Anschluss zermürbt gefragt,
ob ich zu empfindlich war,
zu konfrontativ,
zu kompliziert.

Aber diesmal nicht.

Ich stand in meiner Küche,
atmete ein,
und wusste:

Ich habe mich selbst geschützt.
Ohne Schuld.
Ohne Drama.
Einfach, weil ich es darf.

9. Innere Klarheit – statt sozialem Pflichtprogramm

Ich blieb in der Küche.
Er blieb im Wohnzimmer.
Und das Gespräch blieb… stehen.

Er sagte nichts mehr.
Ich auch nicht.
Die Situation war nicht geklärt.
Aber sie war beendet.

Später kam meine Frau dazu.
Sie unterhielt sich mit ihm,
locker, beiläufig, fast beschwingt.
Und ich stand da,
hörte ihre Stimmen,
und fragte mich:

Wie kann das gerade so leicht wirken,
wenn mir eben noch alles zu viel war?

Und dann kam dieser Vorschlag –
zwischen zwei Sätzen, wie nebenbei:

„Wir sollten uns mal zu viert treffen – mit seiner Freundin, er, du und ich.“

Und alles in mir sagte:
Nein.
Nicht laut.
Nicht wütend.
Einfach… ein stilles inneres Nicken in die andere Richtung.

Nicht, weil ich nachtragend war.
Nicht, weil ich ihn „bestrafen“ wollte.
Sondern, weil ich wusste:
Das ist nicht mehr mein Raum.

Ich hatte diesen Menschen an meine Grenze geführt.
Nicht aus Wut, sondern aus Notwendigkeit.
Und er war dort stehen geblieben.
Ohne Verständnis.
Ohne Reflexion.
Ohne Rückmeldung.

Zwei Wochen vor diesem Treffen hatte ich Geburtstag.
Er hatte sich nicht gemeldet.
Ein paar Tage später hatte er Geburtstag.
Ich habe ebenfalls nicht gratuliert.

Es war kein Statement.
Kein stiller Boykott.
Es war einfach nur das,
was bleibt,
wenn man aufhört, sich zu erinnern,
wer sich eigentlich zuletzt gemeldet hat.

Und so stand ich da –
zwischen Küchenduft und leiser Erschöpfung –
und wusste:

Diese Beziehung ist nicht zerbrochen.
Sie war längst leer.
Ich habe nur aufgehört, sie künstlich weiter zu beatmen.

10. Geburtstage, Schweigen, Wahrheit

Früher hätte mich das beschäftigt.
Zermürbt.
Ich hätte nachgedacht,
gezweifelt,
mich gefragt, was ich falsch gemacht habe.

Aber diesmal war da nur Ruhe.

Ich hatte ihm nicht zum Geburtstag gratuliert.
Und das fühlte sich nicht wie Rache an.
Nicht mal wie Entscheidung.
Es war einfach nur:
stimmig.

Denn zwei Wochen zuvor hatte ich Geburtstag.
Und er hatte sich auch nicht gemeldet.
Kein „Alles Gute“,
kein Emoji,
nicht mal ein müdes „Wie geht’s dir eigentlich so?“

Und in dieser Leerstelle,
in dieser beidseitigen Abwesenheit,
lag eine Wahrheit,
die nicht mehr geleugnet werden konnte:

„Es war niemand mehr da, der wirklich da sein wollte.“

Nicht, weil jemand böse war.
Nicht, weil jemand verletzt war.
Sondern weil es einfach nichts mehr zu tragen gab.

Ich hatte ihn noch einmal eingeladen,
ihm eine Chance gegeben.
Nicht aus Sentimentalität,
sondern aus echtem Wunsch,
nochmal zu prüfen, ob da etwas war.
Etwas, das sich lohnte.

Und jetzt wusste ich:
Nein.

Ich hatte mich geöffnet,
klar kommuniziert,
eine Grenze gesetzt,
und gesehen,
was darauf folgte:
nichts.

Keine Rückmeldung.
Keine Reflexion.
Kein Interesse.

Und plötzlich war es nicht mehr traurig.
Es war klar.

Die Beziehung war nicht zerschellt.
Sie war verblasst –
langsam, leise,
über viele Monate hinweg.

Ich hatte es nur nicht wahrhaben wollen.
Und jetzt,
wo ich es zuließ,
war da kein Schmerz.
Nur Akzeptanz.

Ich muss nichts mehr retten,
was mich längst verlassen hat.
Und das ist nicht bitter.
Es ist frei.

12. Zwischen neuen und alten Verbindungen

Die Erfahrung mit meinem Kollegen –
und mit der Arbeit –
hat mich nicht kalt gemacht.
Aber sie hat mich wacher gemacht.

Ich bin nicht jemand,
der sich komplett abschottet.
Ich glaube an Verbindung.
Ich glaube an Vertrauen.
Ich glaube an Beziehungen,
die wachsen dürfen.

Aber ich habe gelernt,
dass es einen Unterschied gibt –
einen entscheidenden.

Es gibt alte Verbindungen,
die sich nur noch halten,
weil ich sie halte.
Weil ich derjenige bin,
der sich meldet.
Der sich kümmert.
Der erinnert.

Und dann gibt es neue Verbindungen –
noch fragil, noch vorsichtig,
aber mit Raum für gegenseitige Entwicklung.

In alten Beziehungen darf ich heute sagen:

„Ich habe genug getragen.“

Ich darf aufhören,
Einladungen zu schicken,
auf Nachrichten zu warten,
mich innerlich zu fragen,
ob ich nicht nochmal den ersten Schritt machen sollte.

Wenn sich jemand nicht mehr bewegt –
nicht aus Not, sondern aus Gleichgültigkeit –
darf ich ruhen.
Darf ich gehen.
Darf ich aufhören zu erklären.

Und gleichzeitig weiß ich:
In neuen Beziehungen braucht es Anfangsmut.
Ich kann nicht erwarten,
dass alles sofort auf Gegenseitigkeit beruht.

Manchmal bin ich der Erste,
der sich meldet.
Der fragt.
Der öffnet.
Und das ist okay –
solange ich spüre,
dass es Resonanz gibt.
Dass etwas zurückkommt.
Nicht sofort. Nicht perfekt.
Aber echt.

Es geht nicht mehr um Symmetrie.
Es geht um Lebendigkeit.

Was lebt, darf bleiben.
Was nicht mehr antwortet, darf gehen.

Ich muss nicht mehr alles halten,
nur damit es nicht fällt.
Ich darf entscheiden,
wo ich investiere –
und wo ich einfach nur still aussteige.

15. Gestern, Heute, Morgen

Gestern.
Du warst erschöpft.
Verloren im Nebel aus Erwartungen, Lärm und Leere.
Du hast dir Dinge gefallen lassen,
weil du dachtest, das müsse so sein.
Du hast Ja gesagt, wenn alles in dir Nein flüsterte.
Du hast ausgehalten, repariert, geschwiegen –
bis du fast verschwunden wärst.

Und trotzdem:
Du hast dich nicht aufgegeben.
Du hast ein Kraftbuch angefangen,
in Momenten, in denen du dich selbst nicht mehr gespürt hast.
Du hast begonnen, Worte zu sammeln,
wo du keinen Halt mehr hattest.
Du hast begonnen, dich selbst zu suchen,
lange bevor du wusstest, dass du gefunden werden willst.

Dafür danke ich dir.
Ich bin heute hier,
weil du nicht aufgehört hast, an mich zu glauben,
selbst wenn du es nicht so nennen konntest.

Heute.
Ich bin nicht perfekt.
Ich bin nicht fertig.
Aber ich bin bei mir.
Ich höre mir zu.
Ich setze Grenzen.
Ich lasse los,
was mich nicht mehr trägt.

Und ich fange an,
zu wählen, wo ich sein will –
nicht nur zu reagieren.
Ich sehe klarer.
Ich fühle ruhiger.
Ich bin langsamer geworden –
aber bewusster.
Und das reicht.

Ich bin nicht mehr der Mensch,
der du gestern warst.
Aber ich trage dich in mir.
Und ich bin dir treu geblieben.

Morgen.
Du wirst diesen Text vielleicht wiederlesen.
Vielleicht an einem anderen Ort.
In einer neuen Phase.
Vielleicht hast du dann schon entschieden,
wie es beruflich weitergeht.
Vielleicht arbeitest du längst an etwas,
das sich richtig anfühlt.
Oder vielleicht bist du noch unterwegs.
Das ist okay.

Ich wünsche dir,
dass du diesen Text liest
und lächelst.
Nicht über deine Fehler.
Sondern über deine Stärke.

Ich wünsche dir,
dass du dankbar zurückblickst –
nicht auf das Ergebnis,
sondern auf den Weg.

Und ich wünsche dir,
dass du dir selbst sagen kannst:

„Danke, dass du nicht stehen geblieben bist.
Danke, dass du gegangen bist –
auch wenn du nicht wusstest, wohin.“